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«Was will ich eigentlich genau?»

Lea und Jonas haben sich entschieden. Sie hat im vergangenen Sommer eine Berufslehre als Fachfrau Gesundheit begonnen. Er besucht seither das Gymnasium. Der hep Verlag hat mit den beiden über ihre Entscheidungsfindung und ihre Erfahrungen während der beruflichen Orientierung gesprochen.

Text: Alexander Röösli

Als die berufliche Zukunft in der Sekundarschule zum Thema wurde, nahm es Lea zunächst gelassen: «Am Anfang ist mir das leichtgefallen. Man macht einfach und probiert verschiedene Dinge aus.» An ihrer Schule waren drei Schnuppertage bereits in der ersten Oberstufe obligatorisch. Zu Beginn der zweiten Oberstufe wurde im Fach «Lebenskunde » die berufliche Zukunft konkret besprochen: «Wir haben Aufgaben gelöst, um unsere eigenen Interessen, die Stärken und Schwächen herauszufinden und dazu passende Berufe gesucht.» Von da an wurde die Berufswahl für Lea konkreter.

Jonas machte sich seit der 7. Klasse Gedanken zur Berufswahl. Eine Schnupperlehre hatte er aber erst ein Jahr später vereinbart. «Wegen Corona fiel das leider ins Wasser.» Nachdem zuerst Berufe wie Informatiker oder Mediamatiker ganz oben auf Jonas’ Liste gestanden hatten, veränderten sich seine Interessen im Schulfach «Berufliche Orientierung». Jonas begann sich stärker für Menschen, Psychologie und soziale Themen zu begeistern. Über das Internet, das Berufsinformationszentrum (BIZ) und Bekannte informierte er sich über Lehrstellen im sozialen Bereich, zum Beispiel als Fachmann Betreuung. Eine Schnupperlehre absolvierte Jonas letztlich jedoch nie.

Ganz im Gegensatz zu Lea: «Ich habe in Spitälern, Alters- und Pflegeheimen und in Heilpädagogischen Zentren als Fachfrau Gesundheit (FaGe) und Fachfrau Betreuung (FaBe) geschnuppert. Ausserdem war ich in verschiedenen Betrieben als Floristin.» In der zweiten Oberstufe waren wieder fünf Schnuppertage obligatorisch und weitere erwünscht. Darüber hinaus organisierten die Lehrpersonen Ausflüge an die Zentralschweizerische Bildungsmesse ZEBI und an die Swiss Skills sowie gemeinsam mit lokalen Gewerbebetrieben einen Lehrstellenparcours und einen Tag zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche.

Im Rückblick hat auch Jonas den Eindruck: «Der Fokus ist mehr auf Lehrstellen gerichtet worden.» Diesbezüglich hat er auch Druck von der Schule verspürt: «Es wurde gesagt ‹Entscheidet euch bald für eine Lehrstelle, die zu euch passt› oder ‹Ihr müsst langsam wissen, was ihr wollt›. Ich wusste aber lange Zeit wirklich gar nicht, was ich wollte. Da war ich schon gestresst.» Jonas entschloss sich gegen eine Lehre und fürs Gymnasium: «Bei einer Lehrstelle hatte ich das Gefühl, dass es mir richtig gut gefallen muss. Das Gymnasium ist noch mehr Allgemeinbildung, und da ist es auch nicht schlimm, wenn einem nicht alles gefällt.» Nach dieser Entscheidung ist der Druck von Jonas abgefallen.

Berufswahlstress kennt auch Lea. Sie erinnert sich daran, wie sie in der Zeit der Entscheidung von vielen Unsicherheiten geplagt war: «Ich habe mich lange gefragt: Was will ich eigentlich genau? Was, wenn mir der Beruf doch nicht gefällt? Was, wenn ich die Lehrstelle nicht erhalte?» Als die ersten Mitschülerinnen und Mitschüler ihre Lehrstellenzusagen erhielten, stieg die Anspannung weiter an. Erst als Lea vor den Herbstferien der dritten Oberstufe endlich die Zusage für eine Lehrstelle als FaGe erhalten hatte, war sie erleichtert. Trotzdem absolvierte sie nochmals einige Schnuppertage in ihrem zukünftigen Lehrbetrieb. «Nachher wusste ich definitiv, dass hier der richtige Ort für mich ist.»

Lea und Jonas sind mit ihren Entscheidungen an den richtigen Ort gelangt. Der Weg dorthin war für beide begleitet von Druck, Unsicherheiten und Stress. Gefragt nach einem Tipp für den Berufswahlprozess empfehlen beide nach kurzem Nachdenken: «Das Wichtigste ist, einfach Ruhe zu bewahren – es findet sich am Ende immer eine Lösung.»

Jonas lebt mit seinem älteren Bruder und seinen Eltern im Breitenrain in Bern. Der 15-jährige ist im vergangenen August von der Sekundarschule ans Gymnasium Neufeld gewechselt. Als Schwerpunktfach hat er Philosophie/Pädagogik/Psychologie gewählt.

Die 15-jährige Lea ist mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof in Hasle LU aufgewachsen. Nach dem Abschluss der Sekundarschule hat sie letzten Sommer eine Berufslehre als Fachfrau Gesundheit im Wohn- und Pflegeheim der Stiftung Lebensart in Bärau begonnen.