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Transformation statt Tradition im Bildungsbereich

Für die neuen Arbeitsanforderungen qualifizieren die im tradierten Bildungssystem erworbenen Abschlüsse und Zertifikate nicht. Was denn sonst? Anja C. Wagner heisst Sie willkommen in der disruptiven Realität.
Anja C. Wagner

Berufen statt zertifiziert

Arbeit strukturiert unsere Gesellschaft und prägt uns selbst. Wir werden aus-, fort- und weitergebildet, damit wir in unserem Beruf bestehen, den eigenen Unterhalt verdienen und für eine Familie sorgen können. So war das jedenfalls, bevor die digitale Transformation einsetzte. Nun fallen Jobs weg und damit auch gleich ganze Berufe und Lebenskonzepte. Heisst auch: Weg mit den alten Zertifikaten, Qualifikation für die neuen Jobs geht anders. Anja C. Wagner macht uns Mut für Veränderung.

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Fünf Fragen an die Autorin Dr. Anja C. Wagner

Frau Wagner, sind Sie zertifiziert oder berufen?
Beides. Zunächst berufen, dann zertifiziert. Im Zuge meiner relativ späten Dissertation konnte ich meine beruflichen Erfahrungen im Digitalsektor mit meinen vorherigen Studien kritisch-reflexiv zusammenführen. Bildungsquerulantin war ich zwar schon vorher, weil es mir immer um die Menschen ging. Aber nach der Promotion konnte ich noch fundierter auftreten. Hätte man diesen Lernprozess auch anders angehen können? Sicherlich. Wenn man weiss, wie das funktioniert.

Sie widmen Ihr Buch den Disruptierten – wer ist das?
Die Disruptierten sind diejenigen, die durch den sich vollziehenden radikalen Wandel der digitalen Transformation ihren bisherigen selbstverständlichen Status entweder bereits verloren haben oder ihn verlieren werden. Es ist ein typisches Phänomen der Arbeitsplatzstudien, dass zwar die Mehrheit davon ausgeht, mehr als die Hälfte aller Jobs könnten durch die Maschinen wegfallen. Nur glauben mehr als 80 Prozent der Menschen, ihr eigener Job sei davon nicht betroffen. Sie sind also nicht darauf vorbereitet.

Digitale Transformation, Innovation, Disruption … Inwiefern beeinflussen diese Prozesse unser Arbeitsleben
Das kommt darauf an, ob Sie der neuen Mittelklasse mit ihrem «Growth Mindset» angehören, die es gewohnt ist, sich mittels digitaler Technologien immer wieder in neuen Konstellationen zu bewegen, neu zu lernen und an der Entwicklung kultureller Innovationen mitwirken zu können. Oder ob Sie dank unseres bisherigen Bildungssystems und kulturellen Digitalstaus eher im «Fixed Mindset» gefangen sind. Das ist allerdings weniger ein individuelles Problem als vielmehr ein gesamtgesellschaftliches. Man muss digitale Kultur vorleben. Auf allen Ebenen.

… und die Bildung?
Siehe oben. Bildung muss sich stärker als kulturelle Bildung begreifen und diese selbstverständlich vorleben, und weniger als Wissensvermittlungsinstanz für andere, die am Schluss dieses alte Wissen abprüft.

Was wünschen Sie dem 12-jährigen Schulkind?
Eine Umgebung, die ihm nahebringt, dass jedes Kind gewisse Potenziale hat, die es erfolgreich ausformen kann, um die Gesellschaft von morgen sinnvoll mitgestalten zu können.

Autorin

Anja C. Wagner

Dr. Anja C. Wagner beschäftigt sich mit globaler Transformation im digitalen Wandel. Sie gilt als kreative Trendsetterin und bezeichnet sich selbst als Bildungsquerulantin. Inhaltlich beschäftigt sich die Autorin mit Bildungspolitik, Arbeitsorganisation und mit unserer Zukunft in einer vernetzten Gesellschaft. Sie hält regelmässig Vorträge, Workshops, Lehraufträge oder Online-Moderationen und pflegt den vielbeachteten Videokanal AnjaTime.