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Von speziellen Frisuren, Hasenställen und Netflix- Langeweile – Corona aus Sicht der Lernenden

Autor Peter Stamm schreibt eines, die Publizistin Carolin Emcke ebenso und der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried rät in seiner Rede zur Ausserordentlichen Lage vom 28. März sogar der Stadtbevölkerung dazu, eines für die Nachkommen zu verfassen – ein Corona-Tagebuch! Seit März 2020 ist viel passiert: Schulen wurden geschlossen, Unterricht fand auch nach der Wiedereröffnung oft nur in Halbklassen statt. Die Welt stand und steht Kopf. Grund genug, auch Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, von persönlichen Erkenntnissen, Ängsten und Wünschen zu erzählen und so gleichzeitig Schreibkompetenzen zu fördern.

Die folgenden Texte entstanden während der Frühlingsferien 2020 und wurden von Lernenden der FMS Neufeld in Bern verfasst. Nach einer Unterrichtseinheit zum Thema Redeanalyse sollten die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Gefühle kurz und bündig unter Anwendung von gelernten rhetorischen Figuren aufs Papier bringen. Der Spass am Spiel mit der Sprache unter Anwendung lebensweltnaher Schreibsituationen stand im Zentrum. Ausserdem bot die Lektüre aller Texte via Teams in der Videokonferenz nach den Ferien einen spannenden Wiedereinstieg und förderte den Corona-bedingten fehlenden sozialen Austausch untereinander. Schreiben hilft zu verarbeiten, zu reflektieren, sich selbst kennen zu lernen. Lesen Sie selbst!

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Ich persönlich fühle mich gestresst und überfordert. Die Ferien sehen nicht wie Ferien aus, weil ich den ganzen Tag das Gleiche mache, wie Essen, Schlafen oder Film schauen. Ich vermisse meine Freunde und die Schule. Darum ist mir manchmal langweilig, aber ich bin froh für all die Kontakte, die ich digital habe. Ich geniesse immer noch gutes Essen. Ich bin froh, das s unser ganzes System noch funk tioniert. Ich bin dankbar dafür, dass die kranken Leute noch behandelt werden können und gleichzeitig mache ich mir Sorgen; Sorgen um all die, die in Krankenhäusern extrem hart arbeiten müssen; Sorgen um andere Länder, die schlechtere Gesundheitssysteme haben und es tut mir leid für mein Heimatland und arme Länder. Mein Heimatland, Afghanistan, das ist ein armes Land. Die Menschen dort haben nichts zu essen. Wenn sie zu Hause bleiben, sterben sie vor Hunger, aber wenn sie nach draussen gehen, sterben sie wahrscheinlich an Covid-19. Ich bete zu Gott, das s er uns in dieser Situation hilft. Ich hoffe, dass sich die L age bald «normalisert» und das Virus verschwindet. Das ist viel verlangt für die nächste Zeit, doch die Hoffnung soll man nie aufgeben.

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Shogufa S.,    08.04.2020
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Also meiner Meinung nach kann ich die Ferien nicht wirklich geniessen, da ich den gleichen Tagesablauf habe wie vor den Ferien, nur mit weniger Schule und so. Aufstehen, essen, Net flix, schlafen. Ich fühl mich demotiviert und gelangweilt. Ich geh auch nicht mehr so gerne raus, weil man richtig die Blicke der anderen Menschen spüren kann. Sie fangen an rumzunuscheln und schauen einen mit bösen Blicken an. Vor allem die älteren Menschen. I mean, ich gehöre nicht zur Risikogruppe, wenn den Leuten nicht passt, dass ich rausgehe und atme, sollen die zu Hause bleiben. Es heisst, wir sollen zusammenhalten und stehen das gemeinsam durch. Aber ich sehe nix von dieser Solidarität. Durch das COVID-19 habe ich gemerkt, wie egoistisch einige Menschen sein können. Sie denken nur an sich und prügeln sich sogar wegen Klopapier. KLOPAPIER! Ich hoffe wirklich, dass sich die ganze Situation wieder erholt und die Menschen realisieren, wie blöd einige von ihnen eigentlich reagiert haben.

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Somaja R.,    06.04.2020
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In der Quarantäne-Zeit war mir so langweilig, dass ich spontan auf eine Idee gekommen bin. Ich besorge mir Hasen, damit ich nicht mehr so alleine bin und dass mir nicht so langweilig ist. In der ersten Woche habe ich online einen Hasenstall bestellt. Als der Stall ankam, habe ich ihn zusammengebaut. Nach drei Versuchen habe ich es geschafft :-). Danach habe ich mich etwas umgeschaut auf Ricardo, Tutti etc., wo es Hasen in der Nähe gibt. Ich habe 2 Weibchen gefunden und sie reserviert. In der verbleibenden Zeit habe ich mit meinem Vater ein grosses Gehege gemacht (17m2). Als das Gehege fertig war un d die ganze Einrichtung für Hasen bereit war, sind wir sie abholen gegangen. Meine Hasen habe ich Bonita und Lola getauft. (Lola war nicht meine Idee, ich wollte Elsa).

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Marko C.,    18.04.2020
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Wie schon gestern ging ich auch heute wieder in der Nähe der Fischzucht Rubigen an der Aare spazieren. Mit einem Picknickkorb und mit meinen Krücken im Gepäck genossen wir das gemeinsame Frühstück in der Natur und vertrieben uns dort die Zeit. Am Nachmittag besuchte mich dann noch Samten, worüber ich mich freute; einerseits über den Besuch und andererseits, dass ich nicht der einzige bin, der momentan eine etwas na ja spezielle Frisur hat. Sich über Dinge austauschen zu können und das nicht nur am Bildschirm, war definitiv ein Aufsteller. Ich wünsche mir sehr, dass sich alle an die Regelungen halten, damit es mit den Lockerungen hoffentlich vorwärtsgeht, denn schliesslich tut es uns doch allen gut, ein Gefühl von Normalität wieder zurückzugewinnen. Meine Highlights in den Ferien waren einmal der Besuch von Samten und dass ich an Ostern ziemlich überraschend ein Osternest im Briefkasten hatte, mit dem ich nie gerechnet hätte!

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Simon W.,    19.04.2020
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Der letzte Tag. Heute ist auch schon der letzte Tag von den Ferien. Wie schnell die Zeit trotz Quarantäne verging. Wenn ich auf die zwei letzten Wochen zurückschaue, kann ich sagen, dass ich meine Zeit gut genutzt habe. Ich habe den Tagen Struktur gegeben: Ich war joggen, ich war in meinem Atelier, ich war spazieren und habe die Zeit und das schöne Wetter sehr gut geniessen können. Glücklich. Ich war glücklich und bin es noch immer. Morgen heisst es aber dann auch schon wieder: Ran an den Laptop, Fernunterricht. Ich bin ein bisschen gemischter Gefühle, habe Angst, dass ich es nicht packen werde und die Disziplin nachlässt. Nichtsdestotrotz freue ich mich auch, ich freue mich, weil die Zeit immer näherrückt, eine Zeit, in der wir wieder etwas freier sein werden. Frei wie die Vögel!

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Leila O.,    19.04.2020
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Einige schätzen die Zeit mehr, andere weniger. Manchmal bin ich überfordert. Klar bekommen wir Aufträge, aber trotzdem weiss ich dann nicht, was ich machen soll. Ich vermisse meine Freunde. Ich vermisse meinen Alltag. Ich vermisse die Abwechslung. Ich strenge mich an, möglichst wenig am Handy oder Laptop zu sein, klappt schon besser. Ich versuche mehr Sport zu treiben, klappt schon besser. Was ich mir einfach wünsche, ist, dass die Zeit im Flug vergeht und wir noch einen schönen Sommer haben können und ich noch mein Alter vor dem ‹Erwachsenwerden› geniessen kann.

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Thenisha T.,    22.04.2020

Das Schuljahr nach Corona
Was sich nun ändern muss
Von Armin Himmelrath, Julia Schmengler (geb. Egbers)
«Endlich wieder richtig Schule haben», sagen die einen. «Regelbetrieb nach der Stundentafel, soweit es das Infektionsgeschehen zulässt», die anderen. Allen aber ist der Wunsch nach einer Perspektive, nach Alltag und Gewohnheit gemein und danach, Schule wieder als berechenbar und verlässlich zu erleben. Wie weit sind wir davon entfernt? Was haben wir aus der Krise gelernt? Wie weiter in der «neuen Normalität»? Eltern, Expert*innen, Lehrkräfte und Betroffene schildern, was sie während der Krise erlebt haben, und leiten daraus Forderungen für eine gestärkte Schule nach Corona ab.
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